für dich aktualisiert am 7.1.24
No. 65 Podcast-Interview über die hellen und dunklen Seiten von New Work, Selbstorganisation und organisationalen Maßnahmen
Luisa fand Selbstorganisation klasse. Agiles Arbeiten - wunderbar. Und Homeoffice sei sowieso das Größte! Dass sie mit der Freiheit zu Hause nicht zurecht kam, bekam zunächst keiner mit. Beim Daily strahlte sie und tat emsig. Ebensowenig wie Luisas Chef bemerkte, dass nach drei Monaten 2.000 Kundenmails unbeantwortet geblieben waren…
Das Gefängnis der Freiheit
Die Freiheit war in Wahrheit in Gefängnis - und überforderte völlig. Ein Beispiel für “Überdosierung” im Namen von New Work. Darüber spreche ich im heutigen Podcast mit Prof. Hannes Zacher. Das Thema passt bestens zu meiner Umfrage, in der ich nach euren favorisierten Themen gefragt habe: Die meisten wollen mehr “Psychologie der Veränderung”. Ihr könnt noch an der Umfrage teilnehmen!
Ich kenne viele solcher Anekdoten. New Work und Agilität haben viele Übertreibungen hervorgebracht.
Da gab es Chefs, die ganze Kundencenter von einem Tag auf den anderen der Selbstorganisation überließen - und sich dann wunderten, dass die Arbeit liegenblieb, der Stresspegel stieg und Konflikte eskalierten.
Da gab es Manager, die dachten “wow, wenn Mitarbeiter sich selbst organisieren, kann ich mich ja endlich um wesentliche Dinge kümmern.” Und die dann registrierten, dass das Gegenteil der Fall war…
Differenzierte Botschaften: Bei Liebhabern einfacher Kochrezepte unbeliebt
Differenzierte Botschaften kommen bei den Liebhabern einfacher Konzepte und Modelle nicht gut an. Was Evidenz aus der wissenschaftliche Psychologie zu einer funktionalen Arbeitswelt beitragen könnte, ist oft nicht bekannt. Das liegt unter anderem auch daran, dass Disziplinen wie Betriebswirtschaftslehre und Psychologie getrennt betrachtet werden.
Nur ein Beispiel: Viele Unternehmen erhofften sich von Einführung der Großraumbüros mehr Kommunikation - das Gegenteil aber ist der Fall. Das hätte man wissen können…
Bestenfalls wird ein Modell herausgegriffen, das sich schnell “ausrollen” lässt. Ob “psychologische Sicherheit” von Amy Edmondson, “Growth und Fixed Mindset” von Carol Dweck oder auch das “Scarf-Modell” von David Rock: Sie sind im wesentlichen, ich muss es so krass sagen, “Missbrauchsopfer” der ersten Agilitätswelle.
“Die Blanko-Verschreibung von Maßnahmen macht keinen Sinn” Prof. Hannes Zacher
Ja, Autonomie - das “a” in Scarf - ist oft positiv, aber nicht immer. Ja, Menschen, die sich sicher und kompetent fühlen, entscheiden gern selbst.
Aber - erstens: Die meisten Menschen fühlen sich in komplexen sozialen Entscheidungssituationen nicht sicher.
Und - zweitens: Nicht jeder ist in der Lage, eigene Kompetenzmängel zu bemerken. Und dann wäre da drittens noch die Sache mit dem “Zuviel”.
Zu wenig oder zu viel der “additional decrement”-Faktoren ist wie zu viel oder zu wenig Vitamin C. Das heißt, zu wenig ist genauso schädlich wie zu viel. Das geht zurück auf das “Vitaminmodell” von Peter Watt. Die Faktoren sind:
Kontrolle der eigenen Lebensbedingungen
Möglichkeit zu sozialen Kontakten
Möglichkeit, eigene Fähigkeiten zu entwickeln und anzuwenden
aktivierende und motivierende Zielvorgaben
Abwechslung und neue Erfahrungen
Vorhersehbarkeit und Verständlichkeit von Ereignissen
Mehr dazu dann in meinem Gespräch. Viel Spaß!
Weiter: Lesen, Sehen & Hören
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Das Gefängnis der Freiheit oder: Was wirkt wirklich in Organisationen?