No. 110: Gefühle abwehren
Im Disneyfilm “Alles steht Kopf” droht die Persönlichkeit der Protagonistin Riley zusammenzubrechen. Es gibt Angriffe durch neue soziale Emotionen wie “Neid” oder “Scham”. Sie legen sich über Riley. Doch die Gefühle in der Schaltzentrale des Gehirns tun alles, um das zu verhindern.
Scham, Neid und “Ennui” - angelehnt ans Französische für Langeweile - drohen Rileys Kern zum Einstürzen zu bringen. Gestern habe ich die 2. Folge gesehen. Ein erwachsenenkompatibles Lehrstück darüber, wie wir werden wie wir sind. Aber auch, wie wir trotz Veränderung wir selbst bleiben können: Indem wir lernen, den Kern zu differenzieren, zu modifizieren. Es wird einfach… komplexer.
Aber was ist das überhaupt, dieser Kern, wenn alles draußen einzustürzen droht?
Die vergangene Woche präsentierte uns reihenweise Material, um sich in den Medien anzuschauen, wie öffentliche Menschen sich von Scham, Neid, Verachtung und anderen sozial gemachten Gefühlen leiten lassen.
Wie erwachsene Menschen nur noch ein Mittel kennen, sich vor eigener Veränderung zu schützen: Sich gegenseitig anzugreifen.
Alle auf ihre Art:
Scholz mit der Entwertungskeule: Ich entwerte, also bin ich.
Habeck primär im Contenance-Mechanismus: Ich rationalisiere, also bewahre ich mein Gesicht.
Lindner primär rationalisierend.
Habt ihr Lindners Gesichtsausdruck gesehen?
Schaltet mal den Ton aus. Der Mann war wirklich betroffen, das siehst du an den unterdrückten Tränen, an der Mimik. Ich könnte mir vorstellen, dass da ein Kindheitstrigger im Spiel war: “Du gehörst jetzt nicht dazu” (ätschbätsch).
Angriff ist nicht die beste Verteidigung, sondern zeigt vor allem die Abwehr eigener Gefühle.
Das war bei Scholz sichtlich extrem ausgeprägt. Seine Miene ist allerdings so versteinert, dass sich nur eine Spur von Ekel erkennen lässt.
Entwertung versetzt uns in die Lage, sich mit dem eigenen Gefühl von Überlegenheit zu verbinden.
Es muss dann gar nichts gefühlt werden! Die Stimme wandert vom Bauch hoch, der Atem wird schneller. Deshalb lassen sich Menschen, die nicht bei sich sind, an der schnellen Sprache erkennen.
Entwertung gehört zu den häufigsten Abwehrmechanismen: Solche Gefühle entlasten uns davon, uns auf etwas einzulassen. Sie schützen vor Gefühl.
Ich finde, man kann sehr viel über sich und andere lernen, wenn man sich damit beschäftigt. Denn: Abwehrmechanismen sind einerseits Abwehr, andererseits aber auch ein Schutz. Sie schützen uns vor unseren Gefühlen. Den Gefühlen, die gefühlt werden wollen, damit authentische Veränderung möglich wird. Sie wehren Empathie ab, aber auch Selbstliebe. Denn wer sich nicht auf andere einlässt, missachtet auch sich selbst. Grenzen werden nicht gezogen, sondern verteidigt.
Wir fragen uns dann nicht:
Was macht das mit mir?
Warum geht meine Stimme hoch, wird mein Atem schneller?
Welches alte Thema wurde da getriggert?
Wovor schütze ich mich?
Was ist meine Angst? (nicht mehr geliebt werden etwa)
Was Scholz, Lindner und Habeck wohl fühlen? Eine weitere Szene hat mich emotional sehr berührt: als Scholz nach seiner vorbereiteten Rede von seiner “SPD” beklatscht wurde. Welches Gefühl haben Esken & Co. da beklatscht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es die Schadenfreude war.
Meine Liste der Abwehrmechanismen finden meine Paid-Abonnenten bei Weiterdenken Extra.
Bei Youtube gibt es auch ein (freies) Video dazu (verlinkt).
Einen schönen Sonntag
eure Svenja Hofert
Weiterlesen über Gefühle
Disney: Alles steht Kopf, Folgen 1 und 2 (2015 und 2024), eine Serie von Pixar.
Video “Abwehrmechanismen”:
Svenja Hofert, Mist-Gefühle No. 82:
Svenja Hofert, Zu viel Gefühl, No. 2
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