Schützt das Querdenken!
Newsletter 003: Warum wir wieder lernen müssen, anders auf Dinge zu sehen
Geschätzte Mit- und Weiterdenkende,
vielleicht sind Sie beim Lesen gerade zusammengezuckt.
Wie kann man dieses verbrannte Wort bloß in den Mund nehmen! Nun, ich finde, man kann. Ja, man muss.
Das Wort verdient es, vor Missbrauch geschützt zu werden. Nicht nur, weil es eine bewahrenswerte Denker-Stärke in meinem beliebten StärkenNavigator ist. Vom Groupthink keineswegs unbeeindruckt hatte ich diese im letzten Jahr ausgetauscht gegen “Kreativ-Denker*in”. Aber Kreativdenken ist einfach nicht dasselbe.
“Querdenken” hat nichts mit Protest und Rebellion zu tun. Querdenker sind keine Leute, die anderen Leuten hinterherlaufen, welche krude Ideen ohne Hand und Fuß verbreiten. Querdenker laufen niemanden hinterher. Sie bleiben stehen, beschäftigen sich mit eigenen Denk-Mustern und denen der anderen. Sie fragen - und hinterfragen.
Quer kommt von schräg in Bezug auf eine räumliche Richtung. Es bedeutet, etwas aus einem anderen Winkel zu sehen. Aber es bedeutet nicht, rechthaben zu wollen. Denn wer nur Rechthaber will, denkt nicht schräg und aus einem anderen Winkel, sondern geradeaus. Genaugenommen kann man von Denken gar nicht sprechen.
Matthias Varga von Kibéd unterscheidet innere und äußere Querdenker. Innere Querdenker sitzen in mir und suchen immer wieder die andere Perspektive. Das hilft, den eigenen Blick auf ein Problem weiter zu entwickeln. Genau darum geht es: um das Weiterentwickeln. Stehenbleiben ist kein Problemlöser durch Querdenken. Und Probleme stehen immer im Vordergrund, sonst braucht man kein Querdenken.
Hier hilft ein Seitenblick auf den Unterschied zwischen In-Formation und Trans-Formation. Dazu hatte ich vor einem Jahr einmal ein Video gedreht. Bei der Information ballert man einfach immer noch mehr vom Gleichen in Grün rein und rauf. Man verändert aber die Form nicht, mit der man etwas wahrnimmt.
Bei der Transformation verändert sich die Art und Weise, mit der ich etwas verstehe und verarbeite. Manche Menschen nehmen beispielsweise vieles mit einem eingebauten Richtig-Falsch-Sensor auf. Sie sortieren sofort alles in gut oder böse, schwarz oder weiß, oft ohne nur ansatzweise zuzuhören. Andere sind mit Besser-als unterwegs. Beim Besser-als bewertet man etwas als überlegen, immerhin ohne das andere zu negieren. Aber es trägt noch die Bewertung in sich. Auch nicht gut, wenn man neue Probleme lösen will.
Die hohe Kunst ist es, unterschiedlichste Perspektiven so stehen zu lassen, wie sie sind und diese zu verändern, um aus ihnen neue Lösungen zu kreieren. Dabei ist die einfachste Möglichkeit das Sowohl-als-auch, aber es gibt noch viele andere. Die bewusste Mehrdeutigkeit oder Kontexterweiterung etwa. Was wäre, wenn wir weiter weggehen und auf das gleiche mit zwei Meter Abstand schauen? Oder die gewohnte Form einfach mal weglegen - hören statt lesen.
Ich meine, das wir lernen müssen, anders auf Dinge zu blicken. Es gibt tausende Möglichkeiten, das zu lernen. Drei habe ich rausgepickt und daraus ein Video gedreht.
Es geht zum Beispiel um Formen, mit denen wir die gleichen Dinge immer gleich wahrnehmen. Vor einiger Zeit hat mir eine Teilnehmerin unserer Ausbildung TeamworksPLUS, ein Buch über das Zeichnen geschenkt. Ich kokettiere damit, dass ich nicht Zeichnen kann und eher eigenwillige und nicht unbedingt schöne Skizzen mache.
Sie meinte, das sei genau das, was mich ausmacht - aber es müsse mich nicht hindern, meinen eigenen Stil zu finden. Ein wundervolles äußeres Querdenken für mich! Seitdem lerne ich, mit dem Buch. Eine Aufgabe ist es die Zwischenräume zu sehen, also beispielsweise das zu betrachten, was zwischen den Blättern ist und nicht die Blätter selbst. Das schult meinen inneren Querdenker. Ich liebe das Buch, Empfehlung am Ende.
Gestern hat mir ein Organisationsentwickler im Coaching gesagt, er hätte keine Ziele, wüsste nicht was man von ihm erwarte. Ich sagte: “Ist doch super, da hast du doch ein wunderbar freies Gebiet, was du neu gestalten kannst.” Da war ich dann der äußere Querdenker.
Also, Querdenken ist nicht das, was zwei Jahre pandemisches Gruppendenken daraus gemacht haben.
Trauen Sie sich, das innere und äußere Querdenken wieder hoffähig zu machen. Und wenn Sie mal jemand schief anguckt… ich hätte da ein paar super Tipps gegen Gruppendenken. Die verlinke ich auch unten.
Was denken Sie zum Querdenken? Haben Sie Tipps?
Und wenn Sie mal in Ruhe nachdenken wollen - ich wünsche Ihnen einen tollen Sonntag.
Ihre
QUERDENKEN-LESE-TIPPS
Mein neues Buch “Business Showdown” erscheint am 26.4., hier bei Amazon
Mein Beitrag “Gruppendenken: Zusammen dumm” in meinem Blog
“Rettet die Querdenker!” ein Corona-beeinflusster Beitrag aus de Uhr 2021 in meinem Blog
“Querdenken - ein Narr, der fragt” - in meiner XING-Kolumne
Das Buch “Ganz im Gegenteil” von Varga von Kibéd und Insa Sparer ist ein Klassiker
Das Buch “Zeichnen lernen” von Betty Edwards
QUERDENKEN-HÖR-TIPPS
Gegen den Strom, Tipps von Svenja Hofert für Querdenker bei Getabstract (sorry, ist hinter der Bezahlschranke)
Foto: Owen - iStock
Danke. Schon seit langem wünsche ich mir, dass Querdenken wieder "zurückgewonnen" wird und dem unsäglichen Missbrauch dieses Wortes aktiv begegnet wird. An Tipps dazu arbeite ich noch...
Ich bin ein bekennender QuerDenker und mir war das Reframing in Bezug zu den gefährlichen, alternativen Querdenkern in der heißen Pandemiephase ein massiver Dorn im Auge.
Wir leben in einer unfassbar volatilen und stets sich neu beziehenden Zeit an Begriffen.
Dabei sollten wir uns lieber wesentlich mehr den ganz alten Tugenden wieder widmen. Die waren nämlich niemals aus der Mode.
Bei Toyota kann man das ganz hervorragend erkennen. Sorgsam planen, klug diskutieren und sauber umsetzen. Alles für den Kunden und unser Habitat. 😉