Mit dem Wirtschaftshistoriker Prof. Klemens Skibicki sprach ich 60 Minuten über Veränderung und warum wir sie mit Blick auf die Geschichte besser verstehen könnten. Klemens und mich verbinden wesentliche Dinge: Wir lieben Käsekuchen und komme aus Köln. Und dann haben wir beide auch Geschichte studiert. Geschichte? Ja! Die verbindet sich mit Psychologie- und Wirtschaftswissen zu ungewöhnlichen interessanten Blickwinkeln…
10 Essentials aus dem Beitrag:
Wer die Konstanten im menschlichen Verhalten sucht, versteht die Zukunft: In Gutenbergs Zeiten wurde die Lesesucht beklagt, heute ist es die Internetsucht. “Klagewellen” der jeweils älteren Generation sind normal. Heißt für dich: Verstehe es als normalen Bewahrungs- und Erhaltungstrieb.
Menschen reagieren immer ablehnend auf das Neue. Kaiser Wilhelms Aussage “Ich glaube an das Pferd" ist im Nachhinein lustig. Zu der damaligen Zeit vertrat die absolute Mehrheit diesen Standpunkt. Diejenigen, die an etwas anderes glauben (hier Auto) sind immer die geschasste Minderheit. Heißt für dich: Nerven behalten, wenn du wie ich eher and Innovationskraft der Menschen glaubst als an Verbote und Regulierungen.
Entscheidungen sind nur aus ihrer Zeit heraus und ganzheitlich zu verstehen. Maßstäbe von heute können nicht an Entscheidungen von gestern angelegt werden. Ganzheitlich erfassen heißt auch den historischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontext zu verstehen und die Wechselwirkungen zu sehen. Heißt für dich: Rückblickend “doof finden” macht gar keinen Sinn. Vorausschauen heißt, die Wechselwirkungen einer Entscheidung vorherzusehen. Und zu erkennen, dass Entscheidungen einfach nie richtig für alle und für immer sind.
Technologischer Wandel ist immer schneller als kultureller, sozialer und volkswirtschaftlicher. Deshalb ist das Hinterherhinken das Normale. Politik mit ihrer systemischen Logik ist nie Vorreiter und hat vor allem eine Aufgabe: die Geschwindigkeit des Wandels zu dämpfen. Deshalb sollte sich der Staat nie als Unternehmer hervortun, kann nicht gutgehen. Heißt für dich: Geh dahin, wo der Wandel schon über Technologie hinaus spürbar ist - von dort wird es sich ausbreiten.
Wir sind nicht besonders, es gab Ähnliches schon mal. Die schnellste Veränderung ist immer die, die die jeweilige Generation gerade erlebt. Nach 1000 Jahren Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft übergehen, war auch kein Zuckerschlecken. Heißt für dich: Mehr Demut bitte!
Das eine reagiert auf das andere. Die Hartz IV-Reformen waren zu ihrer Zeit notwendig, rückblickend, ideologisch und aus heutiger Sicht kann man immer darüber streiten. Die Nachfolger dieser Entscheidungen hatten es deshalb leicht, weil der Wohlstand auch auf deren Basis wuchs. Heißt für dich: Wer Früchte aussäht, erntet sie nicht. Und es ist verdammt gut für die Psyche, sich dessen bewusst zu sein.
Erst wenn es pressiert, kommen wir in die Kreativphase. Die preußische Niederlage 1806 gegen Frankreich ermögliche Reformen und entfesselte Kräfte. Wenn jedem klar ist, dass man sich keine Ausreden mehr leisten kann - erst dann geht es voran. Heißt für dich: Vergiss die einfachen Lösungsansätze im Baukastensystem, sie sind Shownummern.
Es braucht kein Strategiegelaber - wir müssen erstmal über das Gleiche reden. Oft scheitert Change schon an der fehlenden Begriffsdefinition. Und das ist keine Frage der Worte. Wenn Ahnungslose über Digitalisierung reden, dann reden sie eben NICHT wirklich über Digitalisierung…. Das ist als würden Düsseldorfer eine Kölner Karnevalsparty veranstalten oder schlimmer noch: Leute aus Schweden. Heißt für dich: Erst mal über das Gleiche reden… und das geht nur mit einem echten Verständnis.
Wer nicht unmittelbar tangiert ist, verändert sich nicht. Erst wenn klar ist, dass es so nicht weitergeht, wird gehandelt. Das heißt für dich: Es braucht immer persönliche Betroffenheit.
In Legoworkshops verändert sich nichts. Neue Ideen entstehen nicht im Effizienzmodus oder als “Quickwin”-Nebenprodukt. Kreativität entsteht durch Runterfahren, Steckerziehen. Neues entsteht auf dem Boden von Kreativität - und, oh Überraschung, es ist gar nicht immer NEU. Deshalb ist sein Hervorbringen der Kunst ähnlich. Das heißt für dich: Es braucht einen Slowdown.
Weiter: Lesen, Sehen & Hören
Buchtipps:
Friesicke, Sascha / Sprondel Johanna “Träge Transformation. Welche Denkfehler den sozialen Wandel blockieren.”(2023, Reclam) Geniales Buch, das mich wirklich aufgrund der “Denkschärfe” begeistert hat. Keine Plattitüden, super geschrieben, hätte ich von Reclam nicht erwartet. Passt wunderbar zu meinem Podcast. Für Kritiker und Aufdecker.
Korthals, Annika / Leidinger, Josefina / Zerbin, Anja et. al. “Workspotting. Über Täter, Opfer und Aushalten von Zusammenarbeit.” (2023, Murmann). Unglaublich schön gestaltetes Buch, ganz anders als das oben, hier für Praktiker und Liebhaber von Modellen. Tolle Übersichten. Für Praktiker und Liebhaber von Ästhetik.
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