Die Lösung in dir liegt unter ihren Möglichkeiten
Nr. 108 Der Fehler bei der Lösungszentrierung
Nr. 108 Der Fehler bei der Lösungszentrierung
„Die Lösung liegt in dir“, sagte mein Coachin. „Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte ich.
Das ist eine kleine Szene aus meinem Buch „Hört auf zu coachen“. Ich behielt recht. Es kamen Lösungen, die damals nicht ansatzweise in meinem Gehirn angelegt waren. Und ich meine: Das gilt für jeden. Für die, die sich von Interessen treiben lassen. Und auch für die, die schon früh wissen, dass sie irgendwann einmal an der Tür des Bundeskanzleramt rütteln würden, um dort Einzug zu halten. Die Zielgerichteten, Fokussierten unter uns also.
Kläre dich, dann weißt du schon weiter - von wegen
Eine der Quellen für den Glauben an die Lösung, die in einem liegt, kommt aus dem lösungszentrierten Coaching. Man müsse sich selbst klären, man wisse dann schon, was richtig sei. Der Coach darf es nicht wissen. Auf keinen Fall besser-wissen. Auch das stimmt nicht. Manche Coaches wissen durchaus, dass aus der vermeintlichen Lösung ein noch größeres Problem entstehen könnte.
Ich habe das oft gesehen. Die Lösungen, die Menschen dachten und fühlten (“fühlt sich super an”), waren nicht passend. Es ist auch nicht in jedem der ganze Reichtum an Erfahrung angelegt. Vielen fehlt es schlicht an selbsterlebten Referenzen aus dem echten Leben: Wenn ich meine Leidenschaft fürs Malen noch nicht entdeckt habe, dann weiß ich ja noch nicht mal, dass es sie gibt.
Priorisierung nach dysfunktionalen Mustern
Wenn – nur um ein Beispiel zu nennen - eine Trennung von Partner, Unternehmen, Region, Profession oder sozialer Bezugsgruppe von mir nicht gedacht und gefühlt wird, wird alles andere lediglich nach meinen vorhandenen, möglicherweise auch dysfunktionalen Mustern priorisiert. Das ist echt, sogar authentisch. Und trotzdem schlecht.
Auch Aufstellungen zielen auf die Lösung “in dir”. Aber auch diese aktiviert „nur“, was in einem ist, wenn auch auf einer tieferen Ebene. Die Priorisierung der Jetzt-Gedanken und Gefühle kann zwar super hilfreich sein. Aber sie weitet nicht den eigenen Möglichkeitenraum.
Echte Veränderung bedient sich nicht aus dem Lösungs-, sondern aus dem Möglichkeitenraum.
Und der ist immer größer als das eigene Gesichtsfeld. Er lässt sich nicht gedanklich erkunden, sondern nur durch neue Erfahrungen. Beziehungserfahrungen spielen dabei eine große Rolle, wie es Klaus Eidenschink in seinem aktuellen Podcast bei „Ich. Wir.Alle“ sagt (siehe Weiterhören).
Was bei Veränderungen in uns passiert, habe ich übrigens in einem kleinen Hörstück aufgezeichnet, das ihr nächste Woche bei “Weiterdenken Extra” findet.
Die Lösung kann sich verdammt gut anfühlen - und ist doch keine.
So wie sich eine erstmals gesehene Möglichkeit schlecht anfühlen kann. Das geht doch nicht! Never!
Oder nur, wenn es garantiert funktioniert. Das tut es natürlich nicht, denn Veränderung ist immer unsicher. Deshalb streben wir nach Zustandsbewahrung. Und ja, das kann ich wirklich gut verstehen.
Der Mensch liebt es, so wie es ist. Und wird sich alles andere so lange zurechtrationalisieren, intellektualisieren oder verdrängen wie es geht.
Wir sollten also nicht Lösungen finden, sondern Möglichkeitenräume erweitern. Das gilt für die Arbeit an uns selbst und mit anderen.
Eine schöne Woche
Weiterhören
Episode 909 von Ich. Wir. Alle: “Die Funktionalität und Dysfunktionalität von Gefühlen.” Klaus spricht hier auch über Lösungsorientierung - und dass er sie ebenso für nicht immer passend hält. Hier
Kolumne Nr. 60 “Hört auf zu coachen”.
Termine
Meine Akademie für Veränderung mit Masterclassen und Online-Kursen findest du. Hier
“Psychologie der Veränderung”, Extratermin im Dezember,
“New Organizing Strategy” im Januar formiert sich jetzt. Hast du eine Rolle in der Veränderung und Interesse den Januar mit einem Ideen-Kick zu beginnen? Dann lese hier.