Erinnern Sie sich an die “Talking Heads”? “Stop making Sense”, forderte die Band 1984 auf ihrem berühmten Live-Album. Ich konnte nicht herausfinden, warum genau sie das taten.
Aber das Album kam mir sofort in den Kopf als ich diese Woche bei LinkedIn einen Thread über sinnvolle Arbeit las.
Der Autor Nico Rose zitierte dort StrengthFinder-Erfinder Marcus Buckingham von Gallup. Buckingham argumentiert im aktuellen Harvard Business Manager auf der Basis von Daten gegen ein Zuviel an Sinn. Er sagt, dass es statistisch ausreiche, wenn Menschen 20% ihrer Arbeitszeit Dinge tun, die sie richtig gern machen.
Übriges war auch der verstorbene Philosophen Fritjof Bergmann der Meinung, dass Dinge die man richtig, richtig gern tut nur einen Teil der Arbeit ausmachen müsse. Er unterschied diese Arbeit von Erwerbsarbeit.
Dinge, die man richtig, richtig gern mache, stiften persönlichen Sinn. Aber es gibt eben auch Arschlochtätigkeiten, meint Nico Rose. Die machen einfach keinen Spaß, etwa weil sie einen sinnlos erscheinen. Wenn Sie mich fragen, gehört Formulare ausfüllen und Emails vom Spam befreien eindeutig dazu.
Die nach einem Einführungstext gestellte Frage von Nico lautete:
Würden Sie einen Job ausüben wollen, in dem Ihnen über den Tag verteilt nur 1/5 der Tätigkeiten wirklich Freude bereiten?
Ich sage innerlich mit dem Blick auf das, was mir an diesem Tag bevorstand “ja”. Wenn ich meine eigene Arbeit betrachte, so sind diese eben mitnichten durch erfüllende, mit persönlichem Sinn durchtränkte Tätigkeiten geprägt. Unter uns: Auch Texte optimieren ist für mich nicht das reinste Vergnügen…
Aber ich mache sie trotzdem, weil sie eben auf das Ganze betrachtet durchaus Sinn machen. Oder manches einfach getan werden muss und es gibt niemand anderes.
Mehr A-Tätigkeiten in Krisenzeiten
Ich vermute, der Anteil von Arschlochtätigkeiten steigt in Krisenzeiten. Für Leute, die ihr Jobs an das digitale Zeitalter anpassen müssen, besteht vermutlich ein großer Teil ihrer sich transformierenden Welt aus Arschlochtätigkeiten. Nicht nur meine Mutter meint, dass das Leben vor dem Computer sinnvoller war. Etwa, weil man nicht die ganze Zeit auf das Handy starren musste.
Im Arbeitsleben ist Täuschung im Übrigen an der Tagesordnung: Vertreter der Laptopklasse lügen besonders gern aus Marketinggründen. Ein Teil gewinnt seine Kunden über die eigene, scheinbar höhere und digitale Arbeitsform. “So wie ich kannst du auch als digitaler Nomade deinen Sinn finden” - so oder ähnlich lautet die Story einer neuen Sinn-Oberklasse.
Aber was meinen die mit Sinn überhaupt? Lassen Sie uns deshalb kurz schauen, wie Sinn definiert ist.
Sinn gilt in der Psychologie als eigenständige Komponente des persönlichen Wohlergehens und wird als maßgeblich für Lebensqualität, psychisches Wohlbefinden und persönliches Wachstum betrachtet. Sinn wird Handlungen, Vorhaben und Aktivitäten, Ereignissen, Sachverhalten und Normen zugeschrieben, wobei diese Sinnzuschreibung eine kognitiv-bewertende Funktion darstellt, die mit emotionalem Erleben sowie mit Verhalten und Handeln verbunden ist. (Stangl, 2022).
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2022, 2. Juli). Sinn . Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/17216/sinn.
Diese Definition sagt treffend, dass Sinn höchst individuell ist, womit
erstens niemand einem anderen etwas vorleben kann,
zweitens Organisationen selbst nicht Sinnstiftend sein können,
und drittens jeder seinen urpersönlichen Sinn finden muss.
Das Kopieren von Sinnvorhaben anderer funktioniert nicht. Auch der prozentual.e Wert von Arschlochtätigkeiten in einer an sich sinnvollen Tätigkeit hat nur eine individuelle Aussagekraft.
Vielleicht ist es ja sinnvoll, scheinbar Sinnloses zu tun? Oder, wenn man den Stärkenblick wählt: Stärkt nicht auch, was einem nicht so liegt? Zumindest die Disziplin.
Zurück zum Thread. Das antwortete ich:
Ich wollte damit nicht sagen, dass ich all diese Dinge halbherzig machen. Im Gegenteil. Aber es ist nicht meine Leidenschaft, definitiv nicht. Ich sehe für mich persönlich auch wenig Sinn darin. Geht aber eben nicht nur um mich.
Und ja, ich glaube übrigens nicht, dass nur meine Generation pflichtbewusst ist. Was meinen Sie?
Bitte nicht missverstehen: Ich argumentiere hier nicht für sinnbefreite Arbeit, die es eigentlich gar nicht geben sollte. Aber auch hier muss jeder selbst entscheiden, was das ist.
Es geht mir vielmehr darum, ein Stück Realismus und Verhältnismäßigkeit reinzunehmen. Ich möchte außerdem, die schon in einem anderen Newsletter benannte Arroganz der Laptopklasse bewusst zu machen. Zu der gehöre ich ja auch selbst. Aber mir widerstrebt es einfach, das alles hochzujubeln. Noch viel weniger möchte ich anderen ein Sinndiktat aufzuerlegen, die nicht so privilegiert sind. Oder gar ein schlechtes Gewissen erzeugen, weil jemand Dinge tut, die keinem nutzen…. auf den ersten Blick.
Der Arbeitsmarkt spreizt und spaltet sich immer weiter - das muss uns klar sein.
Menschen, die nicht wollen und nicht können, kann man auch nicht mit Sinn überzeugen. Svenja Hofert
In diesen Zeiten steht Human Resources vor einer unfassbar schwierigen Herausforderung: Das knappe, aber verbliebene Personal in das digitale Zeitalter zu führen. Das ist die Quadratur des Kreises.
Menschen, die weder wollen noch wirklich können, mit Sinn zu ködern, finde ich da fast schäbig. Der Sinn ist die schlichte Existenz als Mitglied dieser Gesellschaft. Und manchmal auch nur die Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Ein Job ist eben auch ein Job. Und eine Organisation keine Motivationsbude.
Beitragsfoto: DNY59 - istock
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Was ich diese Woche interessant fand
Bemerkenswert finde ich, ganz allgemein gesprochen, dass die Tendenz an Meinungen festzuhalten Intelligenzunabhängig ungebrochen ist. Ich möchte ausrufen “Think like a scientist”, also suche nach Wahrheit und nicht nach Bestätigung.
Immer wieder interessant ist weiterhin, dass gerade diejenigen keinerlei Entwicklungsbedarf und Slowdown-Notwendigkeit sehen, denen eigentlich der Boden unter den Füssen wegbrachte. Sie schieben weiterhin wie die Leute auf dem Bild das Eckige ins Runde. Ich denke man sollte den Stein wegnehmen, damit man das Loch sehen kann ;-)
Die Nachfragen bei Teamworks zeigen, dass Themen wie Gruppen- und Organisationsdynamik für immer mehr Menschen interessant sind. Folgen der stärkeren Teamorientierung und des Trends zu mehr Selbstverantwortung. Unser Angebot werden wir weiter darauf zuspitzen. Termine.