Newsletter 025: Drei Affen, Springflöhe und relationale Energie
In der Serie Powerless kämpft die Schadensreguliererin Emily Locke mit einem Superhelden und gewinnt. Danach ist sie selbst eine Heldin. Und begreift: Es braucht keine besonderen Kräfte. Es reicht, dass die anderen einen als Superheldin ansehen, um eine zu sein. Und wer den Superheldenstatus zugeschrieben bekommt, beginnt selbst an ihn zu glauben.
Die anderen sind unser Spiegel
Nichts entwickelt sich ohne die anderen. Sie sind unser Spiegel. Sie bremsen uns – und sie ermöglichen unser Wachstum. Ein aufbauendes Feedback kann das Leben verändern, ebenso wie harsche und oft gedankenlose Kritik. Meine Mutter hadert noch heute damit, dass die „fünf“ im Sport ihr das Abitur verhagelt hat. Das war zu Marilyn Monroe Zeiten - ewig her! Aber unvergessen. Meine Mum hat Sport ihr ganzes Leben gehasst.
Power off durch Feedback
Offenbar ging es dem Autor und ehemaligen IBM-Cheftechnologen Gunter Dueck ganz ähnlich. Auch er kämpfte mit der Turnerei sowie zwei linken Füssen beim Tanzen. Vermeintlich wohlwollendes „Feedback“ didaktischer Meistertäter inklusive sicherer Langzeitprognosen waren ihm sicher. Wir kennen das alle: “Du wirst nie…”, “du bist so und deshalb…” oder auch “du hast eben andere Talente”.
Derartiges Feedback kommt nicht nur bei Jugendlichen wie ein Fallbeil daher. Power aus. Mindestens eine Möglichkeit verschwindet, oft für immer.
Es gibt Fälle, in denen die Fallbeile der anderen einen Sprung auslösen. Dann sagen wir „jetzt erst recht“. Wir drücken also in die andere Richtung, mit aller Kraft. Oft weil wir den, der das gesagt hat, besonders doof finden.
Meist hat es zuvor schon ein paar Spiegelungen gegeben haben, etwa für den Widerspruchsgeist. Sehr verkürzt denkt man bei einer solchen Spiegelung etwas in der Art wie: „Aha, so nehmen mich die anderen also wahr… das gefällt mir. Ich bin also jemand, der die Dinge schafft, auch wenn die anderen dagegen sind. Ich gehöre zu denen, die… “ Power on.
Power on durch Mittelmaß
In seinem aktuellen Buch „Keine Sinnfragen bitte“ vertritt Gunter Dueck - ich oute mich als sein Fan - die These, dass die Dummen und Mittelmäßigen in den Unternehmen entscheiden anstatt der Schlauen und Überdurchschnittlichen. Oft sitzen also die am Ruder, die früher gut in Sport waren. Sie übernehmen die Führung in den Unternehmen, weil sie außer Sport (und Ehrgeiz) nicht allzu viel auf dem Kasten haben. Was sie können ist … sich mit anderen verbünden und wettkämpfen.
Im Buch beschreibt Dueck ein Experiment, bei dem ein Affe im Käfig sitzt. Vor ihm bellt ein Hund. Der Affe hat Angst vor dem Kläffer, obwohl er ja eigentlich sicher im Käfig sitzt. Dann kommt ein zweiter Affe in den Käfig, die beiden schauen sich an… und fletschen die Zähne. “Zu zweit sind wir stark” - da können wir uns auch gegen bellende Hunde verbünden. Anstatt sich zu fragen, warum da jemand bellt…
Power off im Glas
In einem Glas springen Springflöhe fröhlich hoch, wenn kein Deckel drauf ist. Erfahren sie einmal ihre Begrenzung durch einen gläsernen Deckel, werden die Sprünge automatisch kleiner, selbst wenn der Deckel wegfällt. Die berühmte Glass Ceiling für Führungsfrauen, na klar. Aber es bezieht sich auch auf andere Aspekte. Auch Talente werden so kleingehalten. Dazu dienen Gruppen, die Energie eindämmen… womit wir beim Abschnitt über den Sport wären. Nur geht es hier um Kultur. “Das kannst du nicht” wird zu “das geht bei uns nicht.”
Ich erinnere mich an einen jungen Mann aus einem Pharmakonzern, der mir nach einem Workshop sagte: „Vor drei Jahren, da habe ich noch alles geglaubt, was man uns im Master über Führung erzählt hat. Und jetzt kommen Sie und wollen mir verklickern, dass diese Theorien wahr werden könnten – und nicht etwa das, was ich hier erlebe? Ich kann nicht einfach ein Meeting schwänzen, auch wenn es überflüssig ist.“
Doch, sagte ich. Es braucht einfach nur einen, der als erstes (ab-) springt. Und andere, die hinterherspringen. Dann merkt man, dass der Glasdeckel nur Einbildung ist. Oder springt raus, was auch kein größeres Problem ist, wenn man ein gefragtes Talent ist.
Kraft der Beziehungen
Die positive Psychologie kennt denn Begriff der relationalen Energie. Es gibt Menschen, die laden einen auf durch ihre positive Energie. Ich treffe jemanden und dessen Energie beschwingt mich, weil sie motivierend ist. Oder ich treffe jemanden und dessen Energie bremst mich, weil es eine negative Energie ist.
Das wirkt nach, auch noch nach der unmittelbaren Begegnung. Je länger wir in entladenden Beziehungen sind, desto mehr glauben wir, dass diese die Welt seien.
Begegnungen prägen die künftige Energie – und sie sind fatal musterhaft. „Ich hatte immer nur gute Chefs“ ist strukturell nicht anders als „ich hatte immer nur schlechte Chefs“. Aber die Energie unterscheidet sich. Die eine ist positiv, die andere negativ. Doch nur die positive entwickelt, fördert, weitet. Die negative begrenzt und schränkt ein.
Wir müssen einfach nur glauben, dass wir nicht alles, aber doch einiges in der Hand haben: Wo wir hingehen, wen wir treffen, welche Rückmeldungen wir geben und von wem wir Spiegelungen annehmen wollen. Wir entscheiden, wer und was Teil von uns wird.
Weiterlesen & mehr
Gunter Dueck (2022): Keine Sinnfragen bitte, Campus-Verlag
Nico Rose: Die Kraft der Beziehungen, PDF zum Runterladen
Wie gehe ich mit “toxischen” Mitarbeitern / Kollegen um: Mein neues Video… ist ein Appell.
Inspiriert hat mich diese Woche
Das oben zitiere Buch von Gunter Dueck, vor allem auch weil so viele schöne Anekdoten drinstecken.
Der Podcast mit Alexander Zorn über die Stoiker. Mich haben Arete und Eudämonie schon lange gefesselt. Die beste Frage fand ich: “Was müsstest du über dein Gegenüber wissen, um ihm etwas zu verzeihen?”
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