No. 68 Über echte Resonanz, falsches Feedback und Change-Verhinderung
Vor einer Woche durfte ich mit einer Keynote meinen kleinen Teil dazu beitragen, eine Halle mit 160 Personen ins Schwingen zu bringen. In der Folge war ich Beoachterin. Ich verfolgte, wie Anstöße Menschen in Bewegung brachten, aus einem Impuls positive Gestimmtheit und schließlich Aufbruchstimmung wurde.
Mit diesem Beitrag möchte ich etwas Resonanz für das Phänomen der Resonanz erzeugen und diese von Feedback abgrenzen. Ihr erfahrt, wie Resonanz Steine ins Rollen bringt. Warum sie zu Veränderung und Wachstum beiträgt. Aber auch: weshalb sie allein nicht reicht.
Resonanz in Gruppen
Meine Begegnungen im Anschluss an die Keynote waren zufällige, kleine Ausschnitte.
Nur ein paar Beispiele:
Ich traf jemand, der unsicher war. Sollte er etwas einbringen? Waren seine Gedanken nicht zu unwichtig, zu wenig kreativ? Sein Chef wolle immer, dass er mutig sei, aber sende dabei Doppelbotschaften. Wir kamen ins Gespräch über Kreativität, den Sinn von Doppelbotschaften und die schwere Geburt des Neuen. Er habe doch bestimmt eine Idee! Später hatte er tatsächlich Idee eingebracht.
In einem kleinen Grüppchen klemmte etwas, da musste Luft raus. Ein Begriff in meinem Vortrag hatte negativ resoniert. Meine Worte seien in ihrem Kontext problematisch „besetzt“. Wir sprachen darüber, dass es fast unmöglich sei, branchen-, institutionen- und organisationsübergreifend unschuldige Worte zu finden. Entscheidend sei doch, mit welcher Haltung ich etwas sage. Welche Absicht dahinter stünde. Nach dem Gespräch flossen die Gedanken.
Draußen stand jemand allein. Ich fragte, was ihm durch den Kopf gehe. Er sei unsicher, ob es sich lohne, sich zu engagieren, bei ihm sei ja alles ganz anders als bei den anderen. Ich sagte, dass jeder Blickwinkel gut sei. Man müsse auch gar nicht mitmachen, aber zuhören vielleicht? Später gesellte er sich zu einer Gruppe dazu.
Resonanz ist auf Wechselseitigkeit angewiesen.
Sie berührt, wer sich berühren lässt. Sie erkundet, sucht, forscht, assoziiert. Etwas oder einer stößt innerliche Bewegung an. Das zeigt „ich bin da, interessiert und ich suche die Verbindung mit dem, was in dir ist“. Kinder erleben Resonanz in ihren Beziehungen mit Eltern, Erziehern und Gleichaltrigen. Eine sichere Bindungserfahrung beruht auf Resonanz.
Auch mit Dingen, mit Themen, Ideen, Fantasiefiguren, Märkten, Zukunft können wir in Resonanz gehen. Positiv wie negativ: Positiv mit einem öffnenden Wort, einem Thema, einer Frage, einer Geste, einem Blick. Im Coaching geht es nur vordergründig ums Fragenstellen. Eigentlich ist Resonanz der Schlüssel. Negativ mit Störgefühlen - etwa auf Worte oder Personen. Mindestens dann ist Resonanz irgendwo auch Projektion.
Resonanz macht stark
Sind wir durch Resonanz gestärkt, erlernen wir als Kinder neue Fähigkeiten, sind ungehemmt neugierig. Wir sind so offen, wie es in uns angelegt ist. Bis uns das „Sosein“ wieder abtrainiert wird. Es passt zu wenig in eine Bildungs- und Arbeitswelt, die in ihre Strukturen einverleiben will. Dabei wird wie bei einem Regler an- und abgeschaltet: Gut/böse, richtig/falsch, wahr/unwahr. Irgendwann entsteht im schlechtesten Fall… künstliche Intelligenz.
Wie wir damit umgehen und ob wir unseren Bezug zu uns erhalten, stärken oder verlieren, hängt entscheidend von der Resonanzerfahrung ab. Ohne innere Resonanz, also Resonanz auf eigenes Wahrnehmungen und Bedürfnisse, können wir jedenfalls auch keinen echten Kontakt zu anderen gestalten. Wir sind dann nur bei uns.
Wenn etwas im Inneren nicht zusammenschwingt, bleibt es starr
Resonanz im Innern
Um ganz bei dir sein zu können, muss ich bei mir sein. Die Frage ist also: Habe ich eine Beziehung zu mir selbst, zu meinen eigenen inneren Schwingungen? Merke ich was in mir vorgeht? Erst dann kann ich auch die Bewegungen anderer spüren.
Dissonanz bricht die Resonanz.
Sie beschreibt einen innerer Spannungszustand zwischen gegensätzlichen Kognitionen. „Hier darf ich mich einbringen“ ringt mit „das lohnt sich nicht für mich“.
Die Folge ist das Verharren in Gedankenschleifen oder auch Wegleugnen von Realitäten. Da schwingt alles immer hin und her. Bis vielleicht eine Frage, ein Gedanke, ein Anstoss das innere in den Fluss bringt und irritiert, aufweckt, erregt.
Erreger und Schwinger sorgen für Bewegung
Im Resonanzpendel der Physik interagieren Erreger und Schwinger. Das lässt sich auf Zwischenmenschliches übertragen. Das Mitschwingen mit den Gedanken und Gefühlen von anderen bringt in Bewegung.
Für den Soziologen Hartmut Rosa ist Resonanz deshalb ein Beziehungsmodus, in dem gegenseitige Schwingungen erzeugt werden.
Beziehungen können wir auch zu Dingen haben. Elon Musk hatte Resonanz auf verschiedene Comic-Helden. Und da ist er nun, selbst einer. Mein Sohn hat eine Resonanz auf Dagobert Duck. Deshalb will er nach Alaska, ins Yukon-Territoritum. Was daraus wird? Abhängig von weiteren Resonanzen. Wir dürfen Resonanz gerne dynamisch denken.
Resonanz braucht den Körper.
Wenn ein Mensch zweifelt, ob er sich für eine Initiative zum Wandel engagieren soll oder nicht, beruht dies auf einem solchen Spannungszustand. Durch einen Impuls von außen, kann ein Patt, eine Blockade, eine Klemme sich lösen. Man geht einen Schritt nach vorn. Allein dadurch entstehen neue Kognitionen.
Übertrage das einmal auf dein Umfeld. Sicher kennst du jemand, dessen innere Spannungen sich partout nicht durch Impulse auflösen lassen. Das kann, muss aber nicht damit zusammenhängen dass der „falsche“ Erreger die Anstöße gibt.
Mir fällt immer wieder auf, dass Schwingungen anders sind, wenn jemand selbst „Aktien“ in etwas hat. Es hängt etwas am Erfolg. Es muss was rauskommen. Und schon ist sie da, die hemmende Dissonanz.
Wenn etwas am Erfolg hängt, geht Freiheit verloren. Das beeinflusst auch die Wahrnehmung dessen, was geschieht oder nicht geschieht. Man sieht negativer auf kleine Erfolge, verstärkt an der falschen Stelle oder übt zu früh Druck aus. Man ist mit dem eigenen Innern beschäftigt. Vielleicht weil die Doppelbotschaften aus allen Rohren kriechen: „Seid mutig, aber haltet euch an die Regeln.“ Es kann auch sein, dass das höhere System die Resonanz stört.
Resonanz mit dem Markt
In der BWL bezeichnet Resonanz „die Qualität der Fähigkeit eines Systems, nach Maßgabe seiner Struktur auf Umweltereignisse reagieren zu können“, so definiert es Gabler. Das ist im Grunde eine frohe Botschaft für alle, die sich abarbeiten an Change. Es geht nur um das, was dort passiert.
Da steckt auch eine Empfehlung drin: Arbeite zuerst am System und nicht an den Menschen. Nur dann kann eine Bewegung entstehen, die mehr Menschen erfasst: Wenn das WOHIN jedem auf seine Weise klar ist. Und mit einem kollektiven Gefühl verbunden werden kann: Aufbruch. Doch was kommt danach? Unter anderem die Frage, wo und ob es Druck braucht. Und wann Resonanz zu Feedback wird. Darum geht es im zweiten Teil.
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Podcast mit dem gesamten Text:
Nach dem Aufbruch braucht es die Umwandlung von Energie durch positive Gestimmtheit in Tatkraft. Diese muss immer wieder neu hergestellt werden, da sie typischerweise am und im Alltag bricht. Dabei helfen Reflexionen und eine bewusste Steuerung gegen die Negativitätsverzerrung. Vor allem aber: Die Klarheit darüber, dass der Zauber des Anfangs immer ein anderer ist.
Jetzt geht es daran, den Ball zu rollen. Es hilft Systemdenken, um mit den Systemen entsprechend ihrer Logiken zu arbeiten und den natürlichen Widerspruch zu begrüßen. Neben Resonanz braucht es jetzt auch Feedback: Wo stehe ich, wo stehen wir?
Im Team gilt die Beziehungslogik. Wenn die Menschen sich gut kennenlernen, sind sie arbeits- und leistungsfähig. Das heißt nicht unbedingt, dass sie sich mögen müssen. Aber der Aufgabenerfüllung darf keine menschliche Blockade im Wege stehen. Es geht also auch um Resonanz auf eine (veränderte) Aufgabe. Oder auch die Frage: Gibt es darauf bezogen Dissonanzen?
Neue Resonanzerfahrungen schaffen
Im weiteren Verlauf verliert sich positive Gestimmtheit, das ist normal. Jetzt ist die Frage: Können erneute Resonanzerfahrungen geschaffen werden? Erlebnisse, Aha-Effekte, erhellende Begegnungen? Es gibt neben der Resonanz auf Ideen, Themen, Comichelden, auch Resonanz auf Methoden.
Ich habe mich vor zwei Wochen kritisch zu Psychomodellen geäußert. Doch diese können sinnvoll sein, wenn sie Resonanz im Sinne der Gruppe erzeugen. „Aha, so bin ich und so bist du“ – eine solche Einsicht ist geeignet, Dissonanzen beseitigen. Genauso wie sie im Gegenteil diese auch erst erzeugen kann. Es geht immer um Anschlussfähigkeit. Deshalb kann man diese Dinge nie losgelöst und stets nur mit Blick auf ein kollektives Ziel betrachten.
Wenn sanfte Mittel nicht reichen
Systeme erzeugen Widersprüche. Das übergeordnete System kann etwas anderes wollen als das untergeordneten. Wenn du mit Veränderung zu tun hast, hast du zwei Möglichkeiten: Entweder es geht um Resonanz oder um Druck und Zwang. Resonanz ist die große Schwester der positiven Macht, der gesunden Autorität. Ihre Mittel sind sanft, wie die Facilitation.
Dagegen sind Druck und Zwang die Brüder der Gewalt. Die brachiale Veränderung, die klare Weichenstellung – die braucht es manchmal früher als einige es wahrhaben wollen. Dann nämlich wenn die Resoanz auf den Markt verloren ist.
Der Gedanke, dass beides zu seiner Zeit richtig sein kann, ist in der Beraterszene wenig beliebt. Die Facilitatoren schimpfen auf die McKinseys. Ob es umgekehrt auch so ist? Oder ob auch ein wenig neidisch auf die sanften Mittel geblickt wird? Beides ist legitim, wobei beide Gewinnen wird durch Aufeinander-Zugehen und die Erkenntnis:
Persönliche Veränderung funktioniert nur freiwillig. Sie braucht Bewusstsein für eigene Ressourcen. Anstupser sind wichtig und Angebote:„he steig´ ein“.
Veränderung auf der Teamebene funktioniert eingeschränkt freiwillig. Ziele sind (meist) vorgegeben, ob man damit in Resonanz geht? Oder eher auf der Beziehungsebene bleibt? Klarheit und kollektive Ausrichtung ist wichtig „das ist unser Job“.
Organisationale Veränderung braucht Weichenstellung. Da kann man nicht alle mitnehmen, sondern muss bewusst Wagen am Zug abhängen. „Hier geht es lang.“
Klar ist: Große Systeme lassen sich nicht allein durch Resonanzerfahrungen umgestalten. Aber in Initiativen schaffen wir neue Systeme, die durch ihre eigene Logik wiederum Einfluss auf andere Systeme nehmen können. In Systemen kann die Resonanzfähigkeit auf das, was draußen passiert, verloren gehen. Deshalb ist es so wichtig, sie immer wieder zu irritieren.
Feedback: Kognitive Unterbrechung von Resonanz
Feedback kann nun helfen, in den Bahnen zu bleiben, für die man sich entschieden hat. Feedback findet auf der linken Gehirnseite statt, Resonanz auf der rechten. Feedback ist kanalisiert, Resonanz assoziativ.
Somit ist Feedback irgendwo auch eine kognitive Unterbrechung von Resonanz. Indem wir darüber nachdenken, verlieren wir die erkundende Ebene. Glechzeitig ordnen wir hinsichtlich des Ziels. Deshalb kann unterschiedliches Feedback sinnvoll sein - oder auch überbrückendes.
Dazu habe ich vor einiger Zeit einen Resonanzfächer erfunden, den ich unten auch noch mal mit einem Begleittext verlinke.
Beim Feedback gilt es zu unterscheiden:
Ohne Frage braucht es aber mitunter mehr als das, zum Beispiel verankert in der Frage “bin ich oder sind wir auf dem Weg”?
Deshalb noch mal ein kleines Wrap-Up zu Feedback:
Feedup ist der Vergleich des aktuellen Status mit dem Zielzustand. Feedup ist immer Zukunftsbezogen. Performance Feedback in Unternehmen ist eine Form des Feedups. Laut einer Metanalyse von Kluger and DeNisi trägt dieses nicht zur Verbesserung bei. Das lässt an der Idee, das Feedback zur Leistungssteigerung beiträgt durchaus zweifeln…
Feedback ist der Vergleich des aktuellen Status mit dem vergangenen Zustand. Feedback ist immer vergangenheitsbezogen.
Feedforward ist der Zielzustand mit Blick auf den aktuellen Zustand, der zugleich eine Empfehlung für den Lernprozess enthält.
Entwicklungsbezogenes Feedback ist definiert als die Frage zu welchem Grad die Feedbackenden ihre Mitarbeiter Informationen zur Verbesserung und Entwicklung zur Verfügung stellen.
Resonanz-Feedback ist sowas wie der Übergang von Resonanz zu Feedback. Es filtert und schult die eigene Wahrnehmung.
Beim Feedback wie auch beim Coaching braucht es Beziehung. Gutes Feedback hängt an der Resonanzfähigkeit einer Person.
Anders als Resonanz kann Feedback Scham auslösen. Der Psychologe Allan Schore fand heraus, dass Scham unser Nervensystem desreguliert: Wenn wir uns schämen, sind Sympathikus und Parasympathikus gleichzeitig aktiv. Wir sind also gleichzeitig aktiv und passiv.
Bei Resonanz resultiert die folgende Aktivität aus einer vorherigen Entspannung. Und genau das ist der Zustand, der uns in Bewegung bringt. Also: Öfter mal Resonanz erzeugen!
Weiterlesen
Feedback neu denken - mit Feedbackfächer von mir, hier
Hartmut Rosa (2016), Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung
Zukunftsinstitut: Resonanz – der Schlüssel zur Welt, hier
Studie über Performance Feedback, hier
Über Scham bei Quarks, hier
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