Wie cool ist der denn? David gegen Goliath? Wow! Kurz nach dem Einmarsch in die Ukraine, veröffentlichten zahlreiche Blogger Lobeshymnen auf den ukrainischen Präsidenten. Plötzlich stand sein Führungsstil in den Schlagzeilen. Ein Held und Vorbild.
„Führen wie Selenski“ war im März und April angesagt. Führungskräfte sollten sich davon etwas abschauen – es folgten 7-Punkte-Checklisten.
Ich bin froh, dass ich mich nicht habe hinreißen lassen, auch so einen Beitrag zu schreiben. Ich hatte schon ein ungutes Gefühl, als ich einen dieser Beiträge likte. Es geht mir nicht um Selenski - es ist die Simplifizierung, die mich stört.
Allgemeingültige Ableitungen sind gefährlich
Wir Menschen orientieren uns gern an anderen. Wie macht das unsere Heldin? Wie geht das überhaupt? Wer hat es schon gemacht?
Dieses Lernen orientiert an anderen ist großartig für kleine und große Kinder – und der Treiber für Weiterentwicklung im Erwachsenenalter. Doch gleichzeitig besteht die Gefahr, das wir die Komplexität ausblenden und nach einfachen Rezepten suchen. Den zeitlichen und räumlichen Kontext blenden wir gern aus.
Aber der gehört dazu: Führung im Krieg ist nun mal was komplett anderes als Teamführung in der Forschung. Führung ist zudem selten dauerhaft in einer Person kumuliert erfolgreich (siehe Tesla und Musk) und abhängig von anderen.
Hier wie da ist es zudem nicht die Person, sondern die Rolle im jeweiligen Bühnenstück. Und ja, Selenski spielt vielleicht die Rolle seines Lebens. Aber allgemein gültige Ratschläge an Führungskräfte kann man daraus wirklich nicht ableiten. Außer den vielleicht: Wer spielen kann ist im Vorteil.
Helden verlieren ihren Status
Nokia ist Ihnen vermutlich noch ein Begriff – der Konzern hat diese handtaschengroßen Handys produziert. Ein Held der frühen 2000er. Wenn Sie Sachbücher aus dieser Zeit lesen: Da wird fast immer Nokia zitiert - und auch der damalige CEO kommt gut weg. Aus heutiger Sicht ist er jedoch… eine schwache Figur, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat.
Lieber nicht an populären Anderen orientieren
Die Helden der aktuellen Bücher – auch sie werden irgendwann . Es ist also dumm, sich an bestimmten Anderen zu orientieren. Man sollte lieber streuen.
Es gibt auch Modelle und Ideen, die Heldenstatus erringen.
Nehmen wir das Spotify-Modell. Fast in jedem unserer Kurse sitzt heute jemand, der in einer Organisationsform à la Spotify arbeitet oder bald arbeiten wird, weil die Geschäftsführung gerade in eine Produktorganisation transformiert. Da geht’s oft ums Überleben - und Spotify ist sowas wie ein Lebensretter.
Wir erinnern uns: Spotify ist ein defizitäres Unternehmen - unternehmerisch eine Vollkatastrophe. Es hat noch keinen Euro Gewinn erwirtschaftet – und es sieht auch mit der neuen Podcaststrategie nicht besonders gut aus. Wenn eine Organisationsform also mit Erfolg korrelieren sollte, dann diese sicher nicht. Insofern stimmt da was nicht in den Grundannahmen der Managerinnen. Es sei denn, es sind heimlich andere. Was ich für sehr wahrscheinlich halte.
Der Wind zählt, nicht das Modell
Ich denke mittlerweile, dass es nicht um Inhalte geht, nicht um ein Helden-Modell, sondern um den Wind, der gemacht wird. Der wirbelt auf und bringt Bewegung. Was dann dabei rauskommt, hat nichts mit Modellen und Methoden zu tun, sondern mit der Tatsache, dass aufgewirbelt wurde. Jede Veränderung erfüllt den Zweck, das Bisherige zu destabilisieren, Wind zu machen.
Das führt dann vor allem zu eins: Einer interessanten Gruppendynamik. Wenn ich an Spotify “glaube” ist das von Vorteil.
Man könnte „Spotify“ auch Spaghetti-Bolognese-Modell nennen
Man könnte „Spotify“ allerdings auch Spaghetti-Bolognese-Modell nennen - nur fehlt da die emotionale Credibility. Es wäre nicht sexy. Das sagt einiges über Heldinnen.
Man setzt auf einen Goldstandard von etwas, das nie Standard sein wollte. Und auch gar nicht sein kann. Denn es geht um Menschen. Und die organisieren sich nicht nach Modellen, sondern entsprechend ihrer vergangenen Erfahrung und angepasst an Räume, in denen sie agieren und sich begegnen. Und damit meine ich nicht nur Orte…
Influencer als Orientierungsmarken
Wie entscheidend das mit der Credibility ist, wurde mir diese Woche auch an anderer Stelle bewusst. Das erste Mal in meinem langen Autorenleben wurde ein Buch - „Slowdown“ - von einer Influencerin besprochen. Und es raste hoch in den Charts und har sich kurzzeitig sogar vor “Dene nach und werde reich” von Napoleon Hill geschoben. Auch mein Instagram-Profil hat sich deutlich verjüngt.
Die junge Dame, Celine Nadolny, empfiehlt Wirtschafts- und Finanzbücher. Auf den ersten Blick passt sie nicht ins Metier. Auf den zweiten ist genau das so gut passend. Mit Stereotypen fällt man nicht auf. Andrerseits muss man auch was zu bieten haben. Wenn man die Leute enttäuscht, sind sie weg.
Und das ist der Unterschied zu Spotify.
Hier ist Enttäuschung weniger augenfällig, weil Spotify nicht influenct. Über die Karriere seines Modell ist das Unternehmen selbst unglücklich. Spotify hat also einen einen freischwebenden Einfluss generiert, der als Geist der Flasche entwichen ist und nun über der Managementwelt schwebt.
Aber auch ein Geist hat eben eine Funktion. Und sei es eine psychologische.
Helden haben einen Vorteil - und ein Problem. Sie fördern die Außensicht. Da kann der Bezug nach Innen verloren gehen. Der aber ist wichtig, um die Relevanz für sich selbst zu erkennen. Dort sitzt auch ein Held, eine Heldin, jemand der Erfahrungen manchen muss.
Denn nur das macht groß und stark. Kopieren geht nicht.
Was mich diese Woche inspiriert hat
Unsere Summer School New Work fand von Donnerstag bis Samstag statt: Auf dem Buschhof in Kattendorf sind Helden und Heldinnen zusammengekommen, die Freude daran hatten, auf sich und ihre Unternehmen sowie die Zukunft der Arbeit zu schauen. Was kann ich bewirken, wenn ich den Raum schaffe, indem etwas Neues entsteht? Danke euch, wir waren ein tollen 10er-Team. Wer ein ähnliches Format mit Yoga sucht: Nextlevelcoaching Ende September. Übrigens: Das Essen dort ist ein Traum!
Influencer-Rezension “Business Slowdown” bei Booksoffinance hier
Tipps zum Weiterlesen & sehen
Da mein Team sich mehr einfache Beiträge und Videos dreht, habe ich mal etwas zu “Was ist systemisch” gedreht. Ich weiß, dass das sehr vereinfacht ist, aber wer mehr will: es sind weitere Beiträge verlinkt. Abonniert auch gerne meinen Kanal :-)
Leider hatte ich diese Woche kaum Zeit, selbst zu lesen. Das werde ich nachholen :-)