Müssen Sie zurück ins Büro oder können Sie wählen?
Vor allem amerikanischen Unternehmen rufen zum “Great return”. Dazu sagen viele Mitarbeitende “nein, danke”.
Apple hat gerade einen wichtigen Spezialisten für künstliche Intelligenz verloren, weil er nicht ins Büro nach Cupertino zurückkommen wollte. Der Wettbewerb freut sich!
Die Risiken knallharter Ansagen sind offensichtlich. Vor allem für die Unternehmen. Das Büro ist schließlich wichtige Sozialisationsstätte. Hier entstehen mit den Bindungen auch Normen.
Das Büro wird so zur Brutstätte der Leistung: Hier lernt man auch, wie man sich in diesem Unternehmen zu verhalten hat, um Erfolg zu haben. Was man tun muss, um in dieser Mikrowelt gesehen zu werden - oder unsichtbar zu bleiben.
Büros sind Brutstätten. Hier lernen wir, wie wir in diesem Unternehmen sein müssen, um Erfolg zu haben. Uns wird vorgeführt, wer es schafft und wer nicht. Das prägt mehr als eine Videokonferenz.
Was für Mitarbeitende Sinn macht, macht für Unternehmen keinen
Fallen die Präge-Mechanismen weg, wächst die Unabhängigkeit - zumindest gefragter Arbeitnehmer. Die Frage ist dann, wie man Menschen halten kann, wenn nicht nur über immer mehr Geld und individuelle Zugeständnisse. Gestalten wir Arbeitsverträge bald wie Star-Engagements? Bekommt der AI-Experte dann Mondwasser, um wenigstens ab und zu vorbeizukommen?
Das bringt Entscheider ins Grübeln und Schwitzen. Kein Wunder, dass viele deutsche Manager Entscheidungen anders als Apple-Chef Tim Cook gerade aussitzen und nach unten delegieren. Abwarten, was der andere macht.
Der “andere” erschafft beispielsweise Büros der Extraklasse: schöner, besser, lebenswerter. Arbeit als Lebensraum, damit die so wichtige Sozialisierung an einem Ort doch noch stattfinden kann.
Es geht nicht ums Homeoffice, es geht um Macht.
In Wahrheit geht es nicht um Homeoffice oder Hybridoffice - was ohnehin nur heißt: alles offen lassen. In Wahrheit geht es um Macht. Wer hat die Macht, den anderen die Bedingungen zu diktieren? Wird das Büro als Lebensraum oder das Homeoffice bei der Jagd nach Fachkräften der entscheidende Arbeitgeber-Faktor werden?
Eins ist klarer als das: Die Zweiklassen-Belegschaft bei den Wissensarbeitern wird kommen: Die einen mit individuellen Arbeitsverträgen, die anderen mit Standard. Der viel beschworene, aber zwischenzeitlich vergessene “Intrapreneur” wird dann vielleicht doch noch Wirklichkeit.
Die neue Ich-AG
Vor etwa zwanzig Jahren gab es eine Welle von “Ich-AGs”, als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die meisten scheiterten mit ihrem Ein-Mensch-Business, aber der Staat hatte sie einige Zeit nicht als Arbeitslose auf der Payroll. Die Ich-AG der Zukunft arbeitet vielleicht in einem Experten-Netzwerk, das sich selbst an unterschiedliche Unternehmen vermarktet. In den AGB: Freiheit bei der Wahl des Arbeitsortes.
Ich habe damals für mich analysiert, dass der Grund für das Ich-AG-Scheitern weniger im Menschen selbst liegt, als vielmehr in seinen Netzwerken und ihren Möglichkeiten und Begrenzungen.
Und da kommen wir wieder zum Homeoffice. So toll Onlinekonferenzen und virtuelle Räume sind: Beziehungskraft entsteht leichter und stärker in echten Räumen.
Beziehungsweise-Geburtsstätten müssen nicht “Büro” heißen. Ich bin zuversichtlich, dass Vielfalt entsteht und ein Wettbewerb von Ideen und Ansätzen. Am Ende setzt sich sowieso durch, was Sinn macht. Und das ist im Zweifel überall etwas anderes.
Was macht für Sie Sinn? Wie sind Ihre Erfahrungen beim “Great Return”? Freue mich über Diskussionen!
PS: Inzwischen ist auch mein Hörbuch von “Business Showdown” erschienen und es gibt eine tolle Rezension von Markus Väth. Auch in dem Buch geht es um neue Arbeit und Zukunftsgestaltung.
Beiträge und Videos zum Weiterlesen:
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Kolumne: Die neue Zweiklassenbelegschaft - meine XING-Kolumne
Edu-Video: Von VUKA zu BANU
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