Ich gebe zu, ich war mal Fan. Ich liebte Psychomodelle. Heute schaue ich anders darauf. Es passiert zu oft, dass sie missbraucht werden. Dann werden sie beliebig, nichtssagend, austauschbar und zur Binse. Es passiert auch zu oft, dass sie Sinnentstellt werden. Dann verlieren sie die ursprüngliche Aussage. Sie dienen dann lediglich als eine Art Schützenhilfe.
Was sind Modelle?
Modelle sind abstrakte Verdichtungen und Erklärungen von Wirklichkeit. Sie sind wie Abziehbilder von dem, was ist. Psychomodelle basieren oft auf wissenschaftlichen Daten. Manche Modelle dringen in den Unternehmensalltag, andere ins Privatleben.
Eines der in letzter Zeit sehr beliebten psychologischen Modelle für das Privatleben ist das innere Kind, das Stefanie Stahl für den Mainstream großgezogen hat. Eines der in letzter Zeit sehr beliebten Modelle für den Unternehmensalltag ist das Modell der psychologischen Sicherheit. Es stammt von Amy Edmondson. Das Modell ist die Lebensleistung der Harvard-Forscherin, die sich mit Teams beschäftigte und der Frage, was sie erfolgreich macht.
Doch ob inneres Kind oder psychologische Sicherheit: Beides sind - Modelle und nicht die Wirklichkeit. Diese Sichtweise geht bei dem Hype darum leider verloren. Es gibt Anwender, für die sind sie die Wirklichkeit.
Was sind Modelle?
Amy Edmondson hat herausgefunden, dass bestimmte Krankenhausteams mehr Fehler meldeten als andere. Sie wollte wissen, warum das so war - und war überrascht. Die Menschen in “sicheren Teams” machten nicht mehr Fehler, sondern meldeten diese bereitwilliger. In diesen Teams herrschte ein Klima, in dem Mitglieder gerne aus Fehlern lernten, anstatt diese zu verbergen. Nun ist dies wünschenswert für viele transformative Zusammenhänge.
Jede und jeder, der seine “Kultur ändern” will, freut sich also über die Kernaussage. Sie dient einem Zweck und transportiert ein Versprechen: “Führungskräfte, wenn ihr die Leute sicher macht, dann sind wir erfolgreicher”. Das ist natürlich ein absoluter Kurzschluss.
Kurzschluss-Gedanken zum Change-Storytelling
Nun wird dieser Kurzschluss-Gedanke auf alle Branchen und Zusammenhänge übertragen. Er kursiert in Versicherungen, Ministerien und fast jedem Seminar. Da mutiert er immer öfter zu einer Binse des “Change Storytellings”. Und damit droht ihm das gleiche Schicksal, dass auch andere Modelle ereilte, etwa das Growth Mindset von Carol Dweck.
Dieses war chronologisch etwas früher “dran”: Microsoft-Chef Sataya Nadella hat damit seinen Kulturwandel kommunikativ begleitet. Aber lässt sich auch der Erfolg des Kulturwandels auf das Modell zurückzuführen? Natürlich nicht. Es zeigt nur wieder eines: Wir suchen weiterhin die linearen Zusammenhänge und stellen sie weiterhin künstlich her.
Dabei passieren zwei Dinge: Erstens werden die Modelle aus ihrem Kontext gerissen. Und zweitens entkoppeln sie sich von Führungshandeln. Sie landen im kommunikativen Appellstatus an Mitarbeitende und Führende - und sind damit irgendwann nur noch das Amen in der Kirche.
Der Missbrauch von Kernaussagen ist ein weiteres Phänomen.
Augenöffnend fand ich den Beitrag von Frank Habermann über die Stacey-Matrix. In seinem Blog “Over the fence” zeigte er, dass Ralph Stacey erstens niemals eine solche Matrix entwickelt hatte, wie sie tausendfach kursiert. Und dass zweitens diese nie als Methode der Komplexitätsbestimmung gedacht war. Das erinnerte mich an die Maslowsche Bedürfnispyramide, die auch nicht von Maslow, sondern von einem seiner Studenten stammen soll.
Wann wird aus dem Versuch, eine gute Sache populär zu machen, purer Populismus? Frank Habermann
Nun ist die Stacey-Matrix kein Psycho-Modell, aber das Anwendungsprinzip ist durchaus vergleichbar: Da wird etwas aus dem Kontext gerissen und auf das übertragen, was gerade irgendwie argumentiert werden muss. Die Dinge werden also auf Linie gebracht.
Der Fehlschluss: Kennen heißt können.
Lese die Langform des Textes und höre den Podcast zum Beitrag.
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie Weiterdenken, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.