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Warum jeder Trend zurückkommt... und Ideen kommen, um zu bleiben
No. 037: Das Gesetz von Verstärkung und Ausgleich
No. 037: Das Gesetz von Verstärkung und Ausgleich
Ist euch schon mal aufgefallen, dass alles immer wieder kommt, nur in anderer Verkleidung? Sieht man in der Mode. Diese sackartigen Kleider… war mal - und ist gerade. Das sind Trends. Aber es gibt auch Dinge, die bleiben. Das sind Ideen. Sie sind unscheinbarer als Trends. Auch sie verwandeln sich, aber anders als Trends sind sie niemals out.
Mit den Trends ist es so: Sie leben von der Wachablösung von etwas anderem. Nach dem Quiet Quitting kommt jetzt das Job Boomeranging. Das bedeutet angeblich, dass Mitarbeitende wieder zum alten Arbeitgeber zurückkehren, nachdem sie ihn verlassen haben. Sie haben derweil beim neuen Arbeitgeber festgestellt, dass die Früchte dort auch nicht tiefer hängen. Oder als Neu-Selbstständige gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, sich am Markt zu bewähren. Wenn, ja wenn sich überhaupt noch jemand selbstständig machen würde… Die Idee von unternehmerischer Freiheit in der Selbstverwirklichung ist zwar immer noch da. Doch der Trend zur sicheren Work-Life-Balance lässt sie anders in Erscheinung treten.
Trends kommen und gehen mit den Leuten, die über sie schreiben und den Lesern, die sagen „ja so ist es“. Klickt es gut, wird noch ein Artikel geschrieben. Ob dahinter eine tiefere Idee liegt? Ist oft nicht wirklich zu erkennen.
Wie ist es also mit Agilität? Oder New Work?
Meiner Meinung nach liegen zwei Ideen zugrunde, die lustig verwechselt werden: Leistung und Performance (Wirtschaftssicht) und Humanität in der Arbeitswelt (Arbeitsmarktsicht). Die beiden changieren und ergeben ein lustiges Podpouri. Doch erst wenn wir die Idee dahinter verstanden ist, verstehen wir auch die Trends.
Was mit Agilität oder New Work verbunden ist, ist Idee. Trend ist, was die “Masse” darunter versteht. Svenja Hofert
Ideen sind nicht so einfach wegzukriegen. Sie bewegen sich wellenartig und folgen - anders eben als Trends - nicht nur der Klick-Logik. Sie haben selbstverstärkende Tendenzen, die sie zeitlich robust machen.
Und hier sind wir beim Lyndi-Effekt, auch Lyndi´s Law genannt. Es beschreibt die umgekehrte Lebenserwartung, die sich aus der bisherigen Lebensspanne ergibt. Das heißt, desto länger sich etwas halten kann, desto länger wird es noch bleiben.
„Agilität ist im Mainstream angekommen.“ (IT-Portal, im Jahr 2008)
Damals meinte man in den Medien damit noch keine agilen Unternehmen, anders als in der Wissenschaft - wo seit 1989 niemand über Scrum sprach, wenn er Agilität meinte.
Man hatte auch noch nicht dieses Spektrum im Kopf, das sich inzwischen ausgebildet hat. Es reicht ja mittlerweile von sektenähnlichen Weltverbesserungsbewegungen über kleinteilige Unternehmensbetriebssysteme à la Holakratie bis hin zur Steuerungslogik der Kybernetik. Ideen können sich also ausbreiten und dabei Gebiet gewinnen.
Megatrend oder Idee? Idee!
New Work ist etwa zeitgleich mit Agilität gestartet. Im Mainstream war es erstmals 2004 – und auch jetzt springt die Google-Trend-Suche so richtig darauf an. Deshalb reden manche schon vom Mega-Trend.
In der Antwort stecken genau jene Buzzwords drin, die wir immer wieder durch die Welt schleudern. Und es stecken Ideen da drin. Darauf will ich hinaus. Ideen, die eben kein Trend, sondern zeitloser sind.
Menschen wollen inzwischen nicht mehr nur Geld verdienen, sondern auch gut behandelt werden. Das ist der Kern der Idee - ziemlich banal. Aber was sie alles so mit sich zieht!
Die Idee der Befreiung aus dem Unternehmenszoo
Viele werfen Trends und Ideen zusammen. Doch es ist nicht dasselbe. Ein Trend ist eine starke Tendenz oder Richtung, die sich über kurz oder lang durchsetzt. Eine Idee dagegen ist eine abstrakte Vorstellung. Sie muss sich nicht durchsetzen.
Es reicht, dass sie über lange Zeit in den Köpfen feststeckt. Hier bekommt sie die Form, die Beraterinnen ihnen geben. Berater, die auf Märkte reagieren, also in ihrer eigenen Logik. Und wenn sie es tausend Mal als „ihren Purpose“ kennzeichnen: Interessiert sich keiner dafür, müssen auch sie ein Job Boomeranging machen.
Ideen sind haltbar, Trends werden Mainstream.
Die Idee ist die Vorstellung davon, wie wir in der Wirtschaft und Arbeitswelt mit der veränderten Umwelt umgehen. Ideen sind haltbar, Trends lösen sich ab. Ich gebe zu, es gibt Überschneidungen, aber auch einen feinen Unterschied.
Wie haltbar so eine Idee ist, das lässt sich berechnen.
Du glaubst an das, was sich als Idee bewährt hat. Und es bewährt sich als Idee, was sich schon mal als Idee bewährt hat. Svenja Hofert
Was sagt uns Lyndi?
Und jetzt detaillierter zum Lyndi-Effekt.
Anders als bei Menschen steigt bei Unternehmen, Produkten, Technologien und eben auch Ideen die Lebenserwartung mit der bisherigen Lebensdauer. Deshalb ist mein Jahrzehnte altes „Praxisbuch der Existenzgründung“ nicht totzukriegen.
Jeder kennt mich, zumindest auf den zweiten Blick. Ich bin die, die im Buchregal steht.
Langlebigkeit erklärt sich aus der Langlebigkeit. Svenja Hofert
Ideen wiederholen sich
Deshalb bewährt sich Napoleon Hills Buch „Denke nach und werde reich“, seit mehr als 80 Jahren. Und aus diesem Grund wiederholen sich Ideen, wobei unterschiedliche Protagonisten, sich mit ihnen verbinden. Denn manches ist nicht der Erfolg des Autors, es ist der Erfolg der Idee. Hier lohnt es sich genauer hinzuschauen, die Grenzen sind fließend und oft zeigt sich erst rückblickend, was es war. Beispielsweise kann der Erfolg einer Idee den Erfolg eines Autors oder Musikers begründen, der dann selbst zum Produkt wird.
Warum kann ein Karriereberater wie Martin Wehrle auf seinem Riesen-Youtube-Kanal plötzlich über Corona und Politik reden? Weil er von der Idee zum Produkt geworden ist, das ihrerseits Ideen verbreitet…
Ideen altern rückwärts
Der Lyndi-Effekt sagt auch: Wenn etwas, das in der Gegenwart existiert und genutzt wird, schon lange existiert, wird es so lange weiterleben, wie es schon besteht. Ideen altern also rückwärts.
Demnach bleiben uns Agilität wie auch New Work noch lange treu, auch wenn es neue Begriffe geben wird oder die Idee frisches Blut bekommt. Denn längst haben sich Ideen verselbstständigt, hat sich Agilität etwa von Scrum entfernt.
Ursprung von Lyndi´s Law
Der Lyndi-Effekt oder auch Lindy´s Law geht zurück auf den Kulturkritiker Albert Goldman und stammt in seiner Urform aus den 1960er Jahren. Lindy war der Name einer New Yorker Künstlerkneipe. Goldman machte sich einen Spaß daraus, zu schätzen wie die Wahrscheinlichkeit von Comedy-Auftritten im gleichnamigen Restaurant Lindy’s entsprechend der Häufigkeit vorangegangener Gigs sein würde. Je mehr Auftritte, desto wahrscheinlicher ein Fortlaufen der Komikerkarriere in der Zukunft.
Später griff der Mathematiker Benoit Mandelbrot die Idee auf, für seine Arbeiten zur fraktalen Geometrie bekannt geworden. Agilität und New Work haben auch etwas Fraktales: Von jeder Seite sieht man was anderes, es setzt sich immer neu zusammen.
New Work und Agilität transportieren die Idee struktureller Bewegung in der Wirtschaft. Sie dienen der Verflüssigung bisheriger Formen. Das ist der Ideen-Kern.
Was sich konkret damit verbindet, ist deshalb am Ende nicht wichtig. Deshalb ist es Horror für Wissenschaftler, unmöglich zu falsifizieren.
Die Fähigkeit des Andockens
Entscheidend bei einer Idee ist die Fähigkeit des Andockens, denn sie erzeugt die Voraussetzung für Wirkung: Es passiert irgend etwas, allein weil eine Verbindung möglich wurde. Ich nenne das in einem Vortrag „Connecting dots“. Etwas wird zerlegt in Bestanteile und verbindet sich neu. Völlig egal, was es ist. Aber: Die Verbindung muss sich ebenso auflösen können, wie neu und anders entstehen.
Die daraus erfolgende Wirkung, davon bin ich fest überzeugt, ist nicht auf eine bestimme Vorgehensweise oder gar Tools zurückzuführen. Entscheidend ist nur das, was in der „Umwelt“ andocken kann, worauf also Menschen reagieren.
Es wirkt, was wirkt.
Wirkung entsteht aus sich heraus. Es wirkt, was wirkt. Manchmal einfach nur deshalb, weil genug Leute daran glauben. Und weil der Aufwand der Veränderung so groß war, dass das Wirkmittel zum Heiligen Gral wird – und nicht die Wirkenden. Das ist der Effekt bei Holakratie (dazu im Kasten ein Linktipp für einen Podcast mit Christina Grubendorfer).
Gehen wir davon aus, dass auch Ideen Bestand haben, dann sind Agilität und New Work austauchbar. Sie sind Etiketten auf einem Glas mit wechselndem Inhalt. Beide Etiketten haben jetzt, je nach Rechnung, eine Haltbarkeit von mehr als 40 Jahren.
Der Badewanneneffekt
Stellt euch eine Badewanne vor. Oben läuft eine neue Idee rein. Sie verstärkt sich immer weiter, auch wenn immer mehr Leute neues Badesalz einstreuen. Bis die Badewanne voll ist, dauert es. Und bis das Wasser dann wieder abläuft auch. Denn den Propfen ziehen wir nur, wenn es etwas anderes gibt, dass das Wasser in der Badewanne überflüssig macht. Dann läuft das Wasser langsam ab.
Wann genau der Punkt dieser höchsten Badewannen-Fülle und Lebenserwartung wissen wir nicht. Vermutlich dann, wenn eine andere Idee die andere obsolet macht. Ein neues Buzzword reicht da nicht. Es kann also noch lange dauern.
Weiter: Lesen, Sehen & Hören
Noch nicht gelesen? Mein ChatGPT-Fazit. Macht euch ein Bild.
Inspiriert hat mich diese Woche
Eine Frage von Christina Grubendorfer in ihrem sehr empfehlenswerten Podcast “Organisationen entwickeln”. Sie fragte ihre Interviewpartner, ob Holakratie nicht etwas Sektenähnliches innewohne. Weil es nur der verstehen kann, der es wirklich wirklich versteht. Es ging um New Work, so ziemlich genau in dem hier beschriebenen Sinn von alles und nichts. Hier hören.
Mein erstes Gespräch mit der Spiegel-Journalistin Anne Otto, die mich zu einem neuen Online-Format berät. ihr dürft neugierig sein :-)
Offene Termine
Da Psychologie der Veränderung im Februar mal wieder ausgebucht ist, habe ich einen Ersatztermin für April eingestellt
Fortgeschrittene: Meldet euch jetzt schon für meine Summer School Organisationsentwicklung und die Masterclass Nextlevelcoaching im Herbst an,
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Foto von istock - Ferrantraite
Warum jeder Trend zurückkommt... und Ideen kommen, um zu bleiben
Vielen Dank für Deinen sehr tollen Text. Ich werde ihn später noch einmal lesen. Was mir spontan in den Sinn kommt: Ideen entwickeln sich weiter. Und: Wenn Ideen zu umsetzbaren Lösungen entwickelt werden, kann nachhaltige Transformation gelingen. Liebe Grüße, Jutta